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Pflege, Betreuung und Behandlung

Schmerzen

Mehrere aktuelle Studien haben belegt, dass bei kognitiven Störungen die Gefahr besteht, dass eine im Verhältnis zur Schmerzintensität unangemessene Schmerztherapie verabreicht wird. Dass sich die Ermittlung und Beurteilung von Schmerzen bei schwer demenzkranken Personen mit Kommunikationsstörungen schwierig gestalten, ist allgemein bekannt, zumal sich Schmerzen bei dieser Patientenpopulation atypisch durch Verhaltensänderungen ausdrücken können, etwa durch eine abrupte Verschlechterung bei den Aktivitäten des täglichen Lebens, akute Verwirrtheitszustände und verminderte Mobilität.  (Piolino, Puppin, & Yusuf, 2016)

Die Selbstermittlung der Schmerzintensität durch die demenziell erkrankte Person gilt als angemessenste Assessmentmethode, da man weiss, dass Pflegende und Angehörige Schmerzen tendenziell über- oder unterbewerten. Zur Erhärtung der geklagten Schmerzen muss deren Intensität deshalb evaluiert werden; ihr Schweregrad muss ebenso gemessen werden wie die Wirksamkeit der verabreichten Analgetika. Mehrere Studien haben nachgewiesen, dass demenziell erkrankte Bewohnerinnen und Bewohner zu Beginn der kognitiven Veränderungen in der Lage sind, Skalen zur Selbstevaluation von Schmerzen zu verwenden und dass eine derartige Erhebung der Schmerzintensität zuverlässige Werte liefert. Dabei muss man sich insbesondere Zeit nehmen, um der/dem Betroffenen die Funktionsweise der Skala zu erläutern, muss Dualtask-Situationen vermeiden, das passendste Instrument wählen und allfällige Sinneseinschränkungen, z. B. betreffend das Hör- und Sehvermögen, berücksichtigen.

Zur Erfassung von Schmerzen ist daher, wenn immer möglich, eine Selbsteinschätzung der betroffenen Person zu erfragen. Oft aber können demenzkranke Menschen ihre Schmerzen nicht in Worten ausdrücken und lokalisieren, und sie erinnern sich nicht mehr daran, dass sie unter Schmerz gelitten haben. Die Evidenz zeigt, dass Schmerzen bei demenzkranken Personen häufig nicht erkannt und daher untertherapiert werden. Deshalb kommt der systematischen Beobachtung eine wichtige Funktion zu. Da Schmerzen sich als auffälliges oder verändertes Verhalten äussern können, sollen strukturierte und bestmöglich evidenzbasierte Instrumente zur Erkennung schmerzbedingten Verhaltens eingesetzt werden. (SAMW/ASSM, 2017).

Skalen für die Selbstevaluation

·           Die verbale Rating-Skala (VRS) umfasst fünf bis sechs Bewertungen für den Schmerzgrad, z. B. keine, leichte, mässige, starke, sehr starke, extrem starke Schmerzen. Sie wird in erster Linie bei kommunikationsfähigen Bewohnerinnen und Bewohnern eingesetzt.

·           Die visuelle Analogskala (VAS) besteht aus einer 10 cm langen Linie, an deren Enden die Extremwerte der Schmerzempfindung vorgegeben sind: links «kein Schmerz», rechts «stärkste vorstellbare Schmerzen»; die Versuchsperson soll mithilfe eines Strichs angeben, wo der empfundene Schmerz zu einem bestimmten Zeitpunkt angesiedelt ist. Auf der Rückseite befindet sich meist eine numerische Skala mit Werten von 0 bis 10 oder von 0 bis 100.

·           Die Smiley-Analogskala oder Gesichterskala umfasst sechs bis sieben Gesichter, die zunehmend Schmerz ausdrücken. Das ursprünglich für Kinder gedachte Modell wurde für geriatrische Patienten angepasst.

·           Das ESAS. Das Edmonton Symptom Assessment System gehört zu den in der Palliative Care gängigsten Skalen für die Selbstevaluation von Symptomen wie Schmerzen, Atemnot, Erschöpfung, Somnolenz, Appetit, Angst, Depression, Wohlbefinden und dergleichen.

Skalen für Fremdevaluation oder Beobachtung

·           Algoplus-Skala: Hierbei handelt es sich um eine verhaltensbasierte Skala zur Bewertung akuter Schmerzen bei älteren Menschen mit Störungen der verbalen Kommunikation. Sie wurde speziell für die Fremdevaluation akuter Schmerzen bei älteren Menschen entwickelt und basiert auf somatischer Beobachtung, nicht auf Verhaltensänderungen. Die Durchführung der Bewertung dauert weniger als eine Minute.

·           Die ECPA-Schmerzskala: es handelt sich um eine verhaltensbasierte Skala zur Fremdevaluation von Schmerzen bei nicht kommunizierenden älteren Personen. Sie findet in Fällen Anwendung, in denen keine Selbstevaluation mehr möglich ist. Sie verhütet, dass die Schmerzsymptomatik unterschätzt wird, und gestattet die Ermittlung, Quantifizierung und weitere Überwachung der Schmerzen. Die Skala liefert schnell und wiederholt vergleichsweise zuverlässige Ergebnisse. Die Beurteilungszeit ist mit 1 bis 5 Minuten (je nach Übung) sehr kurz. Aufgrund der hohen Zuverlässigkeit der Skala reicht eine einzige beurteilende Person aus. 

Die Beurteilung der Schmerzstärke wird, soweit die Kommunikationsfähigkeit und die kognitiven Einschränkungen der betroffenen Person es zulassen, ergänzt durch eine umfassende Anamnese – einschliesslich der Lokalisierung, des (qualitativen) Charakters und der Ausstrahlung der Schmerzen –, die Suche nach Auslösern, verschlimmernden oder lindernden Faktoren sowie die Abklärung, ob eine Depression oder Angststörung vorliegt.

Depression

Zu den möglichen Symptomen einer Depression gehören unter anderem:

  • Stimmungsschwankungen
  • verminderter Antrieb
  • erhöhte Reizbarkeit
  • unspezifische körperliche Störungen wie Schwindel, Bauchschmerzen und Rückenschmerzen (bei älteren Bewohnerinnen und Bewohnern)
Akuter Verwirrtheitszustand (Delir)

Ein Delir ist ein akut auftretender, grundsätzlich reversibler Zustand von Verwirrtheit, dem in der Regel Veränderungen des körperlichen Zustandes und/oder der Umgebungsbedingungen der betroffenen Person zugrunde liegen. Es kann in einer hyper- oder hypoaktiven Form auftreten, wobei letztere häufig verkannt wird. Eine vorbestehende Demenzerkrankung ist einer der wichtigsten Risikofaktoren für die Entwicklung eines Delirs. Entsprechend bedeutsam sind bei Menschen mit Demenz die Delirprophylaxe und die rechtzeitige Delirbehandlung. (SAMW/ASSM, 2017)

Zu den Massnahmen der Delirprophylaxe gehört die Sicherstellung einer ruhigen, stressarmen Umgebung, die für die betroffene Person möglichst verstehbar bleibt. Wahrnehmung und Kommunikationsmöglichkeiten der betroffenen Person sollen unterstützt (z. B. durch Hörgerät und Brille) und die Orientierung durch geeignete Massnahmen erleichtert werden. (SAMW/ASSM, 2017)

Tritt ein Delir auf, suchen wir nach entsprechenden Ursachen (Delirabklärung). Nicht selten findet sich dann eine zuvor nicht erkannte Infektion (z. B. der Harnwege) oder eine Stoffwechselentgleisung, die therapiert werden kann. In zahlreichen Fällen lässt sich aber keine eindeutige Ursache eruieren. In solchen Situationen ist eine symptomatische Behandlung angezeigt.

Dabei stehen in unserer Einrichtung nichtmedikamentöse Ansätze im Vordergrund, die sich teilweise mit den Massnahmen der Delirprophylaxe überschneiden. Bewegungseinschränkende Massnahmen sind, wenn immer möglich, zu vermeiden, da sie ein vorhandenes Delir noch verstärken. Medikamente können z. B. bei Agitation eingesetzt werden.(SAMW/ASSM, 2017)

Behaviorale und psychologische Symptome der Demenz (BPSD)

Etwa 50 % der Menschen mit Demenz zeigen behaviorale und psychologische Symptome der Demenz (BPSD). Diese umfassen eine Reihe klinischer Manifestationen wie zielloses Umherirren, Verweigerung von Behandlung und Pflege, Logorrhö, Wahnvorstellungen, Reizbarkeit, Aggressivität, Apathie, Angst etc. (BAG, 2019)

 

BPSD sind nicht ausschliesslich als Folge der Demenz zu interpretieren. Vielmehr handelt es sich um verhaltensbezogene Manifestationen unerfüllter Bedürfnisse, die es zu ermitteln gilt. Beispiel: Eine Bewohnerin / ein Bewohner zeigt eine Logorrhö, weil er oder sie ängstlich ist; eine andere Person wehrt sich gegen Pflegehandlungen, weil die Mobilisation ihr Schmerzen bereitet; eine andere wiederum ist körperlich aggressiv, weil sie Schmerzen hat. Um die Ursache von BPSD zu beurteilen, ist daher ein gutes klinisches Assessment erforderlich. Oft lässt sich bei einem Grossteil der BPSD-Episoden bei Bewohnerinnen und Bewohnern mit bekannter Demenz eine organische Dekompensation als auslösender Faktor feststellen oder es handelt sich um die Folge einer Polypharmazie, der entsprechend nachgegangen werden sollte.

 

BPSD werden in 2 Kategorien unterteilt:

·      Die sogenannte Positivsymptomatik: Agitiertheit, Aggression, Reizbarkeit, Enthemmung, Widerstand, Umherirren, Schreien, psychotische Störungen, Schlafstörungen etc.

·      Die sogenannte Negativsymptomatik: Depression, Apathie, Rückzug in sich selbst etc.

 

Solche Störungen sind einschneidender als der kognitive Verlust. Sie sind umgekehrt proportional zur Lebensqualität der Betroffenen, führen aber auch zu einer erheblichen Belastung der Betreuungspersonen. (Rey, Voyer, & Juneau, 2016)

 

Die Behandlung von BPSD erfolgt multimodal. Vorrang haben dabei nichtmedikamentöse Therapien, die einen interprofessionellen Ansatz erfordern. (BAG, 2019)

 

Bei behavioralen und psychologischen Symptomen der Demenz (BPSD) erfolgt von ärztlicher Seite zunächst eine Verhaltensbeschreibung und eine Abklärung möglicher Ursachen. 

 

Nichtpharmakologische Interventionen

Die folgende Tabelle fasst die am breitesten anerkannten nichtpharmakologischen Interventionen zusammen:

 

Kategorien

Nichtpharmakologische Interventionen

Geeignete Kommunikationsstrategien

Ruhiges Auftreten

Kurze Sätze

Übereinstimmung zwischen nichtverbalen Signalen und verbalen Äusserungen

Initialberührung bei Kontaktaufnahme

Sensorische Interventionen

Musiktherapie

Aromatherapie

Therapeutische Massage und Berührung; Handmassage

Snoezelraum (multisensorische Therapie)

Lichttherapie

Strukturierte Aktivierung

Handwerkliche Beschäftigungen

Gartenarbeit und Blumenarrangements

Kunsttherapie

Auf die Interessen der betroffenen Person abgestimmte Ergotherapie (Servietten falten, Umschläge stempeln etc.)

Biografie- oder Erinnerungsarbeit

Hantieren von Gegenständen

Kognitive Stimulation: Orientierung an der Realität entsprechend den aktuellen Bedürfnissen der Person; Gedächtnisstimulation

Körperliche Aktivierung

Gehen

Tanzen

Gymnastik

Soziale Kontakte

Direkter 1:1-Kontakt mit anderen Menschen

Tiergestützte Therapie

Simulierter Sozialkontakt (Familienfotos, Videos, Tonaufnahmen)

Umgebungsgestützter Ansatz

 

Schaffung einer simulierten Naturumgebung

Zugang zu Aussenanlage mit Garten

Der häuslichen Umgebung nachempfundene Einrichtung

Schaffung räumlicher Bezugspunkte

Einbau von Sichtschutzvorrichtungen

 

 

Geeignete Kommunikationsstrategien

 

Vor dem Sprechen

·      Vermindern Sie Ablenkungsquellen in der Umgebung. Drehen Sie beispielsweise die Lautstärke von Fernsehapparat oder Radio herunter.

·      Blicken Sie der Person in die Augen und sprechen Sie sie im Gespräch mit ihrem Namen an.

·      Führen Sie eine im Team gemeinsam abgestimmte Initialberührung /-geste zur Orientierung durch. Die Berührung ist als Nahsinn sehr wichtig. Als Empfang für nonverbale Botschaften soll sie zur Umweltkontrolle Sicherheit-im-Beziehung-aufnehmen und Begegnungen-gestalten vermitteln, sowie Stress reduzieren. Durch den Initialkontakt lernt der demenziell erkrankte Mensch, dass die Mitarbeitenden nur dann eine Handlung an ihm vornehmen, wenn er zuvor dort berührt wurde. So gewinnt er Sicherheit und kann sich entspannen.

·      Vergewissern Sie sich, dass die Person gegebenenfalls ihr Hörgerät oder ihre Brille trägt.

·      Manche Betroffene haben Schwierigkeiten, Familienmitglieder oder Freunde zu erkennen. Daher sollten Sie sich am besten vorstellen und die Person daran erinnern, wer Sie sind.

 

 

Wie ansprechen?

·      Gehen Sie nahe genug an die Person heran, damit diese Ihren Gesichtsausdruck und Ihre Gesten sehen kann.

·      Sprechen Sie deutlich und etwas verlangsamt in einfachen Sätzen.

·      Stellen Sie konkrete Fragen, die einfach mit «Ja» oder «Nein» beantwortet werden können.

·      Seien Sie respektvoll und geduldig.

·      Sprechen Sie nicht von oben herab und nicht wie mit einem Kind.

·      Reden Sie nicht über die Person, als wäre sie nicht da.

·      Versuchen Sie, die Person in das Gespräch mit anderen einzubeziehen.

 

Wie zuhören?

·      Hören Sie aufmerksam zu, was die Person sagt und achten Sie dabei auch auf die nonverbale Kommunikation.

·      Seien Sie geduldig und unterbrechen Sie die Person nicht, auch wenn Sie glauben zu wissen, was sie Ihnen sagen will. Wenn die Person Schwierigkeiten hat, Worte zu finden, und es den Anschein hat, dass Hilfe erwünscht ist, können Sie Vorschläge machen.

·      Achten Sie darauf, dass die Kommunikation in beide Richtungen erfolgt.

·      Beziehen Sie die Person aktiv in das Gespräch ein.

·      Stellen Sie keine Mutmassungen an, wenn Sie nicht sicher sind, was die Person sagt. Versuchen Sie, gemeinsam mit ihr herauszufinden, ob Sie richtig verstanden haben.

 

Andere Kommunikationsmöglichkeiten

·      Unterstreichen sie das Gesagte mit Gesten. Wenn es zum Beispiel Zeit für einen Spaziergang ist, zeigen Sie mit dem Finger auf die Tür oder bringen Sie Mantel oder Weste der Person mit, um zu veranschaulichen, was Sie tun möchten. Gesten wie Handzeichen oder das Nachahmen einer Handlung können der Person helfen, das Gesagte zu verstehen.

·      Auch Humor kann Sie einander näherbringen und Spannungen abbauen und ist daher von hohem therapeutischem Wert. Gemeinsam über Fehler oder mögliche Missverständnisse zu lachen, hilft beiden Seiten.

·      Wenn die Person traurig erscheint, ermutigen Sie sie, ihre Gefühle auszudrücken. Um Ihr Zuwendung zu geben, zeigen Sie ihr, dass Sie sie sehr wertschätzen und gern haben. (Alzheimer Society of Canada, 2019)

 

Sensorische Interventionen

Die sensorische Stimulation umfasst eine Reihe von Aktivitäten wie Snoezelen,[1] Musiktherapie, Aromatherapie, Tanz, Lichttherapie, Massagen, simulierte Präsenz (Familienvideo) und tiergestützte Therapie. Oft werden solche Interventionen mit anderen Massnahmen kombiniert.

Zum sensorischen Ansatz gehört auch die Hypostimulation. Hierbei handelt sich um pflegerische Massnahmen bei Personen mit einer demenziellen Erkrankung zur Linderung einer Reizüberflutung, die bedingt ist durch Störungen der sensorischen Modulation und Integration mit nachfolgender Hyperreagibilität auf Umgebungsreize. Diese alternative Methode wirkt beruhigend und fördert die Wiederherstellung der sensorischen Selbstregulation und Ausgeglichenheit.

 

 

Strukturierte Aktivierung

Hierbei handelt sich um einen allgemeinen sozio-psycho-kognitiven Ansatz zur Stärkung der Restressourcen durch abgestimmtes Training der noch vorhandenen Funktionen. Dazu bietet sich ein breites Spektrum an Aktivierungsmöglichkeiten an, z. B. Buchstaben- oder Puzzlespiele, komplexe Aktivitäten wie Kochen und Gartenarbeit, Erinnerungsrunden, Umgebungsgestaltung (Kalender, Zeitungen, Fotos), Training der Aktivitäten des täglichen Lebens durch praktische Anregung.

Solche Aktivitäten haben sich auch in Kombination mit anderen Massnahmen wie Bewegung oder medikamentösen Behandlungen als wirksam erwiesen.

Auch die Reminiszenztherapie, die sich auf Erinnerungen an lange Zurückliegendes stützt, gehört zur strukturierten Aktivierung.

 

 

Körperliche Aktivierung

Regelmässige körperliche Aktivität trägt ebenfalls dazu bei, kognitive Fähigkeiten und Alltagsfunktionen sowie die Lebensqualität zu erhalten, wenn nicht gar zu verbessern. Sie fördert unter anderem Gleichgewichtssinn, Kraft, Körperhaltung, Beweglichkeit und Widerstandsfähigkeit.  Oft werden solche Aktivitäten mit anderen Massnahmen kombiniert.

 

 

Soziale Kontakte

Die Qualität der Beziehungsinteraktionen sowie die Kommunikationsstrategien wirken sich positiv auf Sprache, Lebensqualität, Interaktionsvermögen und Gesamtfunktion aus.

Bei Erkrankungen, bei denen Sprachstörungen im Vordergrund stehen (semantische Demenz, primär progrediente Aphasie) kann eine Logopädin / ein Logopäde beigezogen werden. Dies kann auch bei Schluckstörungen notwendig sein.

 

 

 

Umgebungsgestützter Ansatz

 

Durch entsprechende Umgebungsgestaltung lassen sich deutliche Verbesserungen in Bezug auf Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Orientierung und Sprache erzielen. Die Verwendung von Leuchten, Schildern oder anderen auch bei Seh- oder Hörstörungen geeigneten Symbolen erleichtert Menschen mit Demenz die Orientierung innerhalb ihrer Umgebung.

Anhand der folgenden Massnahmen stellen wir sicher, dass die kognitiven Beeinträchtigungen von Bewohnerinnen und Bewohnern mit Demenz dokumentiert werden und die Wirksamkeit der therapeutischen Ansätze überwacht wird:

Nichtpharmakologische Interventionen werden von geschultem Personal durchgeführt und sind Bestandteil der individualisierten Pflegeplanung und des Entwicklungsplans der Einrichtung.

Grundansatz, Verhaltensbeobachtung aus einem anderen Blickwinkel und Strategien zur nichtpharmakologischen Behandlung von BPSD

1.         Bereits vor der Anwendung eines nichtpharmakologischen Ansatzes bei BPSD ist sicherzustellen, dass der Grundansatz angemessen ist. Siehe Punkt 9 dieses Kapitels. (Bourque und Voyer, 2013)

2.         Wenn der Grundansatz angemessen ist, müssen bestimmte Verhaltensweisen aus einem anderen Blickwinkel hinterfragt werden: Ist eine Intervention wirklich erforderlich? (Bourque und Voyer, 2013)

3.         Nichtpharmakologische Interventionen befassen sich mit den Ursachen verhaltensbezogener und psychologischer Symptome: Sie setzen stets eine Evaluierung voraus, in der die Verhaltensweisen beschrieben und mögliche Ursachen festgestellt werden.

4.         Mehrere nichtpharmakologische Interventionen zeigten kurzfristig positive Wirkungen bei Bewohnerinnen und Bewohnern: verringerte Agitiertheit, Hebung der Gemütslage, erfolgreiche Krisenbewältigung und verbesserte Lebensqualität.

5.         Bei Ausbleiben einer BPSD-Verbesserung wird die betroffene Person im Anschluss an adäquate nichtpharmakologische und pharmakologische Interventionen einem Fachzentrum zugewiesen.

 

Grundansatz

 

1.         Der Grundansatz ist jederzeit bei allen Bewohnerinnen und Bewohnern zu beachten. (Bourque und Voyer, 2013)

2.         Eine nichtpharmakologische Intervention ist nur erforderlich, wenn bestimmte Bedürfnisse nicht befriedigt sind. Sie zielt auf die Ursachen der BPSD und richtet sich nach der persönlichen Vorgeschichte der betroffenen Person. (Bourque und Voyer, 2013)

3.         Der Grundansatz ist wie folgt definiert:

Vor der Interaktion:

·      Gehen Sie in sich und sammeln Sie sich.

Während der gesamten Interaktion:

·      Halten Sie den Kontakt mit der Person aufrecht, durch Blicke, Ansprechen oder Berühren.

·      Sorgen Sie für eine ruhige, angenehme Atmosphäre.

·      Achten Sie darauf, nicht bedrohlich zu wirken.

·      Reagieren Sie schnell auf eine Problemsituation, bevor diese zur Krise eskaliert.

Beginn der Interaktion:

·      Nähern Sie sich der Person langsam und ruhig von vorne und begeben Sie sich auf Augenhöhe mit ihr.

·      Stellen Sie zunächst Blickkontakt her.

·      Vermeiden Sie ein zu schnelles Eindringen in die persönliche Sphäre der Person.

Stimme und Sprache (Liste nicht erschöpfend): 

·      Stellen Sie sich vor (Name + Position).

·      Sprechen Sie die Person stets mit ihrem Namen an.

·      Sprechen Sie in sanftem und beruhigendem Tonfall.

·      Werden Sie nicht lauter, wenn die Person nicht antwortet.

·      Sprechen Sie in kurzen, einfachen und konkreten Sätzen.

·      Sprechen Sie langsam und deutlich.

·      Geben Sie immer nur eine einzelne Anweisung und warten Sie die Reaktion der Person ab.

·      Kündigen Sie der Person an, was Sie vorhaben und erklären Sie ihr das genaue Vorgehen; im Fall von Ablehnung oder verstärkter Unruhe beschränken Sie sich darauf, ihr allgemein zu erklären, was getan wird.

·      Vermeiden Sie infantilisierende und herabwürdigende Ausdrucksweisen.

·      Stellen Sie eine emotionale Verbindung mit der Person her, indem Sie ein Thema ansprechen, das diese interessiert.

·      Vermeiden Sie Wörter, die eine negative Reaktion hervorrufen können (z. B.: «nein», «Bad» etc.).

·      Versuchen sie nicht, der Person gut zuzureden.

·      Danken Sie der Person für ihre Mitarbeit.

·      Seien Sie humorvoll (situationsgebunden).

Gesten und körperlicher Kontakt: 

·      Machen Sie sich anhand von Gesten, Mimik und Zeigen von Vorgängen verständlich.

·      Berühren Sie die Person sanft und mit beruhigender Geste und halten Sie sie nicht fest (z. B. durch Hakengriff).

 

Partizipation und Umgebung: 

·      Lenken Sie die Person ab und gehen Sie bei Bedarf zu anderen Aktivitäten über.

·      Ermutigen Sie die Person zum Mitmachen.

·      Vergewissern Sie sich, dass die Person gegebenenfalls ihre Brille oder ihr Hörgerät trägt.

·      Versuchen Sie, die betroffene Person von Situationen und anderen Personen fernzuhalten, die BPSD bei ihr auslösen können.

 

 

Umdeutung (Reframing) oder Analyse der Situation aus einem anderen Blickwinkel

 

1.         Wenn sich BPSD nicht durch die Vorgehensweise des Personals oder der Angehörigen erklären lassen, ist zu prüfen, ob eine Intervention angemessen ist. (Bourque und Voyer, 2013)

2.         Reframing bedeutet, die Situation aus einer anderen Perspektive zu beleuchten, indem man herauszufinden versucht, ob die BPSD ein Risiko für die Person selbst oder für andere darstellen. (Bourque und Voyer, 2013)

3.         Wenn durch das Verhalten keine Not oder Gefahr für die Person oder andere besteht, arbeiten Sie an der Wahrnehmung der Angehörigen und der anderen Akteure sowie an dem Unbehagen, das die BPSD bei ihnen hervorrufen. (Bourque und Voyer, 2013)

 

Grundlegende Interventionsstrategien

 

Bei Anwendung des Grundansatzes:

·      Ergreifen Sie bei erkannter hoher Stressbelastung der Person Massnahmen, um eine Eskalation zu verhindern.

·      Erkennen Sie auslösende Situationen und vermeiden Sie diese nach Möglichkeit.

·      Nähern Sie sich erregten oder ängstlichen Personen stets von vorn.

·      Sprechen Sie die Person aus deren Augenhöhe an.

·      Sprechen Sie mit liebenswürdigem, sanftem Tonfall.

·      Achten Sie darauf, nicht bedrohlich zu wirken.

·      Erklären Sie der demenzkranken Person, was getan wird und warum.

·      Beurteilen Sie allfällige Besorgnis, die sich in wiederholten Fragen ausdrücken kann, und reagieren Sie entsprechend darauf.

·      Wenn die Stressbelastung steigt, entschärfen Sie die Situation durch einen Aktivitäts-, Tempo- oder Ortswechsel.

·      Vermeiden Sie Auseinandersetzungen, da diese die Dinge eher verschlimmern.

·      Vermeiden Sie körperlichen Zwang, da dies zu einer Eskalation der Unruhe führen kann.

 

Individuelle nichtpharmakologische Interventionen

Basierend auf den im Assessment festgestellten Ursachen der BPSD gibt es mehrere Möglichkeiten zum individuellen Eingreifen. Die Wahl der Intervention sollte sich auf folgende Kriterien stützen:

§  die Lebensgeschichte der Bewohnerin oder des Bewohners

§  die verfügbaren Ressourcen personeller (Angehörige und andere Akteure) und materieller Art sowie umgebungsbezogene Ressourcen

BPSD sind eine Manifestation unbefriedigter Bedürfnisse, daher kann hier unmöglich auf alle potenziellen Ursachen von BPSD eingegangen werden.

 

Pharmakologische Interventionen

Neuroleptika dürfen erst eingesetzt werden, wenn die nichtpharmakologischen Massnahmen nicht den gewünschten Erfolg gebracht haben.

Multimorbidität und Polypharmazie

Bei betagten Menschen tritt eine Demenz oft zusammen mit anderen chronischen Krankheiten auf (sog. Multimorbidität). Der Einsatz der einzelnen Therapiemassnahmen und Medikamente ist sorgfältig abzuwägen, um eine Übermedikation zu vermeiden.

Zu einer solchen Abwägung gehört auch, dass man sich mit der Bewohnerin resp. dem Bewohner und ggf. deren/dessen Vertretungsperson über das Ziel der Behandlung verständigt. Dabei steht bei der leichten und mittelschweren Demenz in der Regel die möglichst lange Erhaltung der Funktionalität im Vordergrund. Mit weiter fortschreitendem Krankheitsverlauf gewinnt neben dem Erhalt der Lebensqualität die Symptomlinderung zunehmend an Bedeutung. (SAMW/ASSM, 2017)

Demenz und Sterbebegleitung

Demenzkranke Bewohnerinnen und Bewohner erhalten ab ihrem Einzug palliative Pflege, Behandlung und Begleitung, die sich von der Palliative Care der übrigen Bewohnerinnen und Bewohner unterscheidet. Dabei berücksichtigen wir die Auswirkungen der Demenz auf die Kommunikation:

  • Allgemeine Auswirkungen: Verschlechterung des Kurzzeitgedächtnisses.
  • Ausdrucksfähigkeit: Demenzkranke Bewohnerinnen und Bewohner leiden oft unter Wortfindungsstörungen.
  • Verstehen: Demenzkranke Bewohnerinnen und Bewohner haben Mühe, komplizierte Sachverhalte zu verstehen und einem Gespräch zu folgen.
  • Abstraktes Denken: Die Fähigkeit zu abstraktem und logischem Denken lässt nach.
  • Verhalten: Trotz eines gewissen Rückzugs in sich selbst und ausgeprägter Passivität sind das Mitteilungsbedürfnis und der Wunsch nach Austausch nach wie vor vorhanden.

Angesichts der Erwartungen aus ihrem Umfeld und ihrer eigenen Kommunikationsschwierigkeiten reagieren demenzkranke Bewohnerinnen und Bewohner gelegentlich aggressiv. Wir halten uns stets vor Augen, dass diese Menschen einen langen Weg hinter sich haben, in dessen Verlauf sie oftmals Strategien zur Bewahrung von Fähigkeiten entwickeln und so zu neuer Sinnerfüllung gelangen konnten. Der unbedingte Respekt vor dem anderen ist Grundvoraussetzung für das gegenseitige Verstehen. Wir akzeptieren die Person so, wie sie jetzt und hier ist, nehmen ihre Gefühle wahr und respektieren sie. 

Unsere Pflegekräfte setzen ihre menschlichen und fachlichen Kompetenzen auf Basis von anerkanntem Wissen ein, um den Bedürfnissen demenzkranker Bewohnerinnen und Bewohner gerecht zu werden und angemessen mit ihnen zu kommunizieren.