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Ethik und Demenz

1. Achtung der Würde

Die Würde ist mit dem Menschsein gegeben und beinhaltet ein fundamentales Recht auf Achtung. Sie ist unabhängig von den körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen eines Menschen.

Im Umgang mit demenzkranken Menschen muss deren Würde in jeder Situation geachtet und geschützt werden, insbesondere, indem wir:

·      die betroffene Person in ihrer Einzigartigkeit sehen und ihr individuell begegnen,

·      ihrer besondere Verletzlichkeit sowohl in ihrem Verhalten als auch in jeder Form der Kommunikation Rechnung tragen,

·      ihr mit Respekt, Einfühlungsvermögen und Geduld begegnen,

·      ihre religiösen und kulturellen Prägungen ernst nehmen,

·      den Wert ihres Lebens nicht an den gängigen Wertmassstäben der Gesellschaft bemessen, sondern als in sich selbst gegeben anerkennen.Die Achtung der Würde einer Person schliesst die Respektierung ihres Autonomieanspruchs auch bei demenziell bedingtem Verlust ihrer Autonomiefähigkeiten mit ein. (SAMW/ASSM, 2017).

Respektierung der Autonomie

Die Bewohnerin oder der Bewohner mit Demenz ist in der Ausübung ihrer/seiner Selbstbestimmung zu schützen und so weit wie möglich zu unterstützen. Während im Anfangsstadium der Demenzerkrankung in der Regel von einer vollen Selbstbestimmungsfähigkeit ausgegangen werden kann, beraubt der fortschreitende Verlust der kognitiven Funktionen die betroffene Person zunehmend der Fähigkeit, selbstbestimmt zu handeln. In fortgeschrittenen Krankheitsstadien ist der Anspruch auf Selbstbestimmung insofern zu achten, als Partizipation zu ermöglichen ist. Dazu gehört auch, körperlichen Äusserungen von Vorlieben und Wünschen angemessene Beachtung zu schenken. (SAMW/ASSM, 2017)

Urteilsfähigkeit

Eine urteilsfähige demenzkranke Person darf auch medizinisch indizierte Massnahmen verbindlich ablehnen. Unvernünftig erscheinende Behandlungsentscheide berechtigen für sich genommen noch nicht zur Annahme der Urteilsunfähigkeit, können aber ein Indiz dafür sein. Gegebenenfalls bedarf es einer Abklärung der Urteilsfähigkeit für den konkreten Entscheidungsprozess.

Die Urteilsfähigkeit ist immer mit Bezug auf eine konkrete Entscheidung zu beurteilen. Sie kann bei der demenzkranken Person z. B. für einfache Eingriffe und alltägliche Betreuungsmassnahmen, Essenswünsche etc. noch vorhanden sein, wenn sie für komplexere Angelegenheiten und solche von grosser Tragweite (z. B. Abschluss eines Pflegevertrags) bereits fehlt. Sofern die Urteilsfähigkeit nicht mehr gegeben ist, muss die demenzkranke Person für den konkreten Entscheid vertreten werden. Die Ermittlung des mutmaßlichen oder des natürlichen Willens bleibt handlungsleitend.

Eine besondere Herausforderung bilden die erheblichen kognitiven Schwankungen, mit denen manche Demenzformen (z. B. Lewy-Body-Demenz, vaskuläre Demenz) einhergehen können. In diesen Fällen sollen für die Abklärung der Urteilsfähigkeit soweit möglich ein Zeitpunkt und ein Setting gewählt werden, in denen sich die Bewohnerin oder der Bewohner in bestmöglicher Verfassung befindet und sich wohlfühlt. (SAMW/ASSM, 2017)

Urteilsunfähige Bewohnerinnen und Bewohner

Fehlt es an der Urteilsfähigkeit, sodass die demenzkranke Person in Bezug auf eine bestimmte Entscheidung nicht mehr selbstverantwortlich entscheiden kann, sind deren Wünsche und Wertvorstellungen für das Handeln der Betreuungspersonen und Angehörigen nach wie vor zentral. Hat die Bewohnerin oder der Bewohner ihren/seinen Willen im Rahmen einer Behandlungsplanung, in einer Patientenverfügung oder in einem Vorsorgeauftrag festgehalten, ist dies handlungsleitend für das Behandlungs- und Betreuungsteam. Fehlt ein solches Dokument, müssen Personen, welche die Bewohnerin oder den Bewohner vertreten, ihre Entscheidungen nach dem mutmasslichen Willen der betroffenen Person fällen, d. h. so, wie diese selbst dies wahrscheinlich tun würde, könnte sie noch eigenverantwortlich entscheiden. Hinweise auf den mutmasslichen Willen können frühere (mündliche) Äusserungen über ihren Willen und ihre Wertvorstellungen sowie aktuelle Wünsche, Vorlieben und Verhaltensweisen sein. Fehlen Anhaltspunkte für den mutmasslichen Willen, orientiert sich die Entscheidung am objektiven Interesse («Best Interest») der Bewohnerin resp. des Bewohners. Ist dieses fraglich, gilt: Im Zweifelsfall für die Erhaltung des Lebens. (SAMW/ASSM, 2017)

Partizipation

Wir ermutigen und unterstützen Bewohnerinnen und Bewohner mit einer demenziellen Erkrankung und ihre Familien, sich in dem von ihnen gewünschten Umfang an der Entscheidungsfindung und Pflege zu beteiligen. Diese therapeutische Allianz basiert auf der Partizipation der betroffenen Person, unabhängig vom Grad ihrer kognitiven oder körperlichen Beeinträchtigung. Ziel ist es, die Beziehung ganz auf die betroffene Person auszurichten, ohne die ihr nahestehenden Menschen auszuschliessen. (SAMW/ASSM, 2017)

Wahrhaftigkeit und Respekt

Zum Gelingen menschlicher Beziehungen gehören Wahrhaftigkeit und Respekt. Eine am Prinzip der Wahrhaftigkeit orientierte Kommunikation vermeidet es, das Gegenüber durch gezieltes Einsetzen von Unwahrheiten irrezuführen und zu manipulieren. Ein respektvoller Umgang wahrt die Qualität der gleichberechtigten Beziehung auf Augenhöhe trotz unterschiedlicher Ressourcen und Einflussmöglichkeiten der beteiligten Personen. (SAMW/ASSM, 2017)