05/2025
Generationen 60+: Gesundheits- und sozialpolitische Strategie
Die AVALEMS begrüsst den Ansatz, Gesundheit und Soziales in einem gemeinsamen Projekt miteinander zu verbinden, um insbesondere die Herausforderungen der demografischen Alterung zu bewältigen. Die Ziele decken sich mit den Anliegen der 55 Alters- und Pflegeheime (APH) im Wallis, die ihre Stärken bei der Umsetzung zum Tragen bringen möchten. Die AVALEMS weist jedoch auch auf Lücken und Punkte hin, die besondere Beachtung erfordern.
Die AVALEMS möchte einleitend festhalten, dass sie die Bemühungen zur Erarbeitung eines Projekts, das die Dimensionen Gesundheit und Soziales miteinander vereint, begrüsst. Die Walliser APH beschäftigen und betreuen knapp 10 000 Personen in unserem Kanton (17 000 mit den Angehörigen der Bewohner/-innen). Da diese Einrichtungen alle jeweils einer Gemeinde angegliedert sind, befürwortet der Verband die regionale Verankerung der vorgeschlagenen Strategie.
Die AVALEMS schlägt vor, den Titel anzupassen, damit das angegebene Alter eher dem Rentnerstatus entspricht (z. B. Generationen 65+).
Gesellschaftliche Teilhabe
Die Gemeinden werden stark eingebunden, um die Teilhabe älterer Menschen am gesellschaftlichen Leben zu fördern. Zwar werden verschiedene Massnahmen zur Unterstützung der Gemeinden erwähnt, doch ist eine gemeinsame Basis schwer zu erkennen. Es besteht die Gefahr, dass sich die APH, die sozialmedizinischen Zentren (SMZ) sowie die Einrichtungen für Menschen mit Behinderung – die alle kantonalen Regelungen unterliegen – von den konkreten Bedürfnissen der lokalen Leistungsempfangenden entfernen, wenn regionale und kommunale Entscheide nicht unmittelbar berücksichtigt werden.
- Es gilt zu klären, ob der Kanton wie beim Jugendgesetz beabsichtigt, seine Rolle zu überdenken und künftig auf die Förderung und Unterstützung zu beschränken. Gegebenenfalls müssen die Auswirkungen auf die Finanzierung geprüft werden.
- Die Vision setzt auf eine partizipative Governance. Dieses Prinzip sollte auch bei der Festlegung öffentlicher Aufträge zur Anwendung kommen.
Versorgungssystem und Betreuung
Im Bericht wird ein integriertes Versorgungssystem vorgeschlagen, das auf gemeinsamen Grundlagen wie Qualitätsstandards und IT-Tools beruht. Die AVALEMS geht – mangels konsolidierter Daten – davon aus, dass die für die Erreichung der gemeinsamen Standards erforderlichen Investitionen je nach Akteur erheblich variieren. Mit anderen Worten: unterschiedlich hohe Kosten für identische Leistungen.
- Den Überlegungen sollte eine vergleichende Bestandsaufnahme der Qualitäts- und IT-Standards bei den Hauptakteuren (Spital, SMZ, APH, Einrichtungen für Menschen mit Behinderung) vorausgehen. Auf dieser Basis muss eine offene politische Debatte darüber geführt werden, in welchem Umfang die verschiedenen Akteure finanziell unterstützt werden.
- Die Beurteilung der Qualitätsstandards sollte im Lichte der verfügbaren personellen und finanziellen Ressourcen erfolgen – gemessen an einer einheitlichen Bezugsgrösse wie etwa dem Stundenaufwand. Unterschiede sollten begründet und, wo sinnvoll, diskutiert werden.
Die Strategie strebt einen deutlichen Ausbau der Hilfe und Pflege zu Hause (Spitex) an und verlangt zugleich einen umsichtigen Umgang mit den personellen Ressourcen aufgrund des bestehenden Fachkräftemangels. Die AVALEMS weist auf einen potenziellen Widerspruch zwischen diesen beiden Ausrichtungen hin.
- Man sollte überlegen, wie man die 55 über das Kantonsgebiet verteilten APH einbinden kann. Diese könnten eine stärkere strategische Rolle bei der koordinierten Steuerung der Versorgung und der Bündelung der verfügbaren personellen Ressourcen spielen. So könnten beispielsweise Betten im Rahmen der Spitalplanung berücksichtigt werden (intermediäre Versorgungsform zwischen Pflege zu Hause und stationärer Spitalpflege).
- Die Stärkung der Spitex muss mit einer Evaluation der Lebens- und Pflegequalität einhergehen. Dies gilt insbesondere für die Palliative Care und die Sterbebegleitung.
Die vorgelegte Vision hat in Bezug auf die Herausforderungen von Menschen mit neurokognitiven Störungen und den entsprechenden Lösungsansätzen in den Bereichen Gesundheit und Soziales zu wenig Tiefgang.
- Der gesetzliche und regulatorische Rahmen muss den APH die zusätzlichen Mittel garantieren, die sie benötigen, um die betroffenen Personen angemessen zu begleiten und zu pflegen. Diese Mittel müssen Teil einer spezifischen kantonalen Strategie sein.
Unterkunft und Umwelt
Die AVALEMS beobachtet, dass der bisherige Fokus der Politik, der auf der Umwandlung der ehemaligen Seniorenheime in APH lag, nun dem Trend weicht, gemeinschaftliche Lebensräume mit sozialer Betreuung zu schaffen. Der Verband begrüsst diese Entwicklung, da er der Ansicht ist, dass diese Wohnformen das bestehende Angebot sinnvoll ergänzen.
- Es sollte zwischen Wohnungen ohne bautechnische Hindernisse und Wohnformen mit umfassender medizinischer und/oder sozialer Betreuung unterschieden werden. Letztere sind als Ergänzung zur kantonalen Planung in den Bereichen Langzeitpflege und Betreuung von Menschen mit Behinderung zu betrachten.
Die AVALEMS spricht sich zudem nachdrücklich für eine echte Politik zur Förderung der Mobilität aus – eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die ambitionierte Strategie zum Verbleib im eigenen Zuhause erfolgreich umgesetzt werden kann. Sie bedauert jedoch, dass das Thema Behinderung nicht explizit in diese Überlegungen einbezogen wurde.
- Der Thematik der Behinderungen sollte bei der Prüfung von Lösungen in den Bereichen Wohnen und Mobilität Rechnung getragen werden. Dies erscheint wesentlich, um eine umfassende und kohärente Versorgung älterer Personen und Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten, deren Bedürfnisse häufig eng miteinander verknüpft sind. Andernfalls besteht die Gefahr, dass es immer mehr Einzellösungen gibt oder eine Personengruppe von den Leistungen ausgeschlossen wird.
Unterstützung für betreuende Angehörige und Freiwilligenarbeit
Der demografische Wandel führt nicht nur zu einem steigenden Bedarf an sozialer und gesundheitlicher Betreuung, er ist auch eine grosse Chance. Ein bedeutender Teil der älteren Bevölkerung, der noch bei guter Gesundheit und nicht mehr beruflich eingebunden ist, könnte freiwillige Tätigkeiten übernehmen. Vor diesem Hintergrund betont die AVALEMS, dass die aktive Unterstützung betreuender Angehöriger, kombiniert mit einer angemessenen Organisation der Freiwilligenarbeit (durch Ausbildung, Koordination und institutionelle Anerkennung), nicht nur ein wirksames Instrument für die soziale Integration ist, sondern auch eine zweckdienliche Antwort auf bestimmte aktuelle Herausforderungen bei der Betreuung älterer Menschen.
- Die AVALEMS fordert, die Menschen der «Generationen 65+» bei der Umsetzung der Vision nicht nur als Leistungsempfangende oder Freiwillige, sondern als Ressource zu betrachten.
- Der Verband empfiehlt, die insbesondere in den 55 Walliser APH tätigen Fachkräfte in die Prävention und Gesundheitsbildung für vulnerable ältere Menschen und deren Angehörige einzubinden. Die rund um die Uhr geöffneten kommunalen Einrichtungen dienen der lokalen Bevölkerung als fachliche Anlaufstellen. Ein Beispiel dafür ist das APH Lötschental, aus dem das «Zentrum für das Leben im Alter» wird.
Governance
Die AVALEMS macht auf einen scheinbaren Widerspruch aufmerksam zwischen dem Willen, die Strategie regional umzusetzen, und dem Umstand, dass die Aufträge weiterhin durch den Kanton vergeben werden sollen. Um eine echte territoriale Kohärenz sicherzustellen, regt der Verband an, das Prinzip der Regionalisierung der sozialmedizinischen Versorgung ausdrücklich in einem kantonalen Gesetz zu verankern, wobei sich der Kanton auf die Erfüllung strategischer und programmatischer Aufgaben beschränken sollte.
- Die Auftragsvergabe sollte auf kommunaler oder gegebenenfalls regionaler Ebene erfolgen, je nach Umfang oder Art der Aufgaben. Durch diese Regionalisierung könnten die Leistungen besser an die lokalen Gegebenheiten angepasst und eine aktive Mitwirkung der Bevölkerung gefördert werden.
Ausserdem strebt die Strategie im Rahmen eines integrierten Versorgungsmodells zwar eine verstärkte Koordination an, doch scheint sie zentrale soziale Aspekte zu vernachlässigen. Angesichts der Schlüsselrolle der Gemeinden bei der sozialen Betreuung und der Gewährleistung des Zugangs zur Gesundheitsversorgung wäre es nicht angemessen, ein zentralisiertes Zwischenorgan auf kantonaler Ebene in diesen Prozess zu integrieren. Die AVALEMS empfiehlt daher, die Erwartungen gegenüber den Gemeinden und den lokalen Leistungserbringern präziser zu definieren, um die jeweiligen Zuständigkeiten zu klären und eine schädliche Fragmentierung der Prozesse in den Bereichen Pflege und soziale Betreuung zu vermeiden.
- Die sozialmedizinische Koordinationsstelle (SOMEKO) als zentralisierte, autonome kantonale Einheit sollte durch regionale Organisationen ersetzt werden. Im Mittelpunkt stehen nicht die Strukturen, sondern die Patientinnen und Patienten. So würde eine Person aus dem Goms bei einer Behandlung im Spital Sitten auch weiterhin durch die regionale SOMEKO betreut, die den Austritt aus dem Krankenhaus organisiert. Es gilt, die Versorgungskontinuität zu stärken und administrative Brüche zu verringern.
- Wenn es zweckmässig ist, könnte der Koordinationsauftrag einer ausserkantonalen Stelle übertragen werden. Man denke hier insbesondere an die Rolle des Bureau Régional d’Information et d’Orientation (BRIO) in der Region Chablais.
Schliesslich sieht die AVALEMS auf kantonaler Ebene ein deutliches Verbesserungspotenzial in der Koordination zwischen der Dienststelle für Gesundheitswesen (DGW) und der Dienststelle für Sozialwesen (DSW). Dieses Gesetzgebungsvorhaben bietet die Gelegenheit, die Synergien konkret zu stärken.
- Die Ressourcen der DGW und der DSW sollten gebündelt und die Verfahren sowie Rahmenbedingungen harmonisiert werden.
Fazit
Die AVALEMS unterstreicht die Bedeutung der Herausforderungen im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel und die Notwendigkeit, diesen mit einer gesundheits- und sozialpolitischen Lösung zu begegnen. Die Stufe Region erscheint angemessen, da sie eine sinnvolle Grösse aufweist, ohne sich jedoch zu weit von den lokalen Gegebenheiten zu entfernen. Die vorgeschlagene Vision (noch keine Strategie) geht offenbar aus Überlegungen der Verwaltung hervor und muss nun in einem demokratischen Prozess diskutiert werden. Die Schaffung einer ausserparlamentarischen Kommission wird daher als zielführend betrachtet, und die AVALEMS bekräftigt ihre Bereitschaft und ihr Interesse, sich an den weiteren Arbeiten zu beteiligen.